Was Herr Perthes sagt - und was nicht

von Jörg Rensmann


Während sich an der zukunftsnahen Bedrohung für Israel, die USA und Europa durch Atomwaffen in den Händen des islamistischen iranischen Regimes nichts geändert hat, wird ebendieses Regime trotz schwerster Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle im eigenen Land nach wie vor hofiert - vor allem von Deutschland

Anfang August veröffentlichte der führende Iran-Lobbyist unter Deutschlands Politikberatern, der Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin Volker Perthes, in der Süddeutschen Zeitung ein programmatisches Papier mit dem Titel „Zwischen Ambition und Angst“.

Perthes wirbt darin nicht nur für das zwischenzeitlich bereits von der Obama-Administration als vollkommen unzureichend zurückgewiesene sogenannte „Teheran-Abkommen“ zwischen Brasilien, der Türkei und dem Iran, das als duchsichtige Beruhigungspille für den Westen den Export von angereichertem Uran in die Hände der islamistischen Machthaber in Ankara vorsah. Er behauptet auch allen Ernstes, der iranische Präsident und Holocaustleugner Ahmadinedschad wolle Verhandlungen, einen Dialog mit den USA. Für Perthes ist ein Regime, das Oppositionelle foltert und tötet, dessen Antriebsmoment der weltweit geplante Export einer islamischen Revolution und dessen Legitimation im Inneren des Landes verwirkt ist, nach wie vor ein rationaler Verhandlungspartner, an dem nicht zu rütteln ist. Dem iranischen Regime ginge es um allein regionale Vormachtstellung, schreibt Perthes, ein absichtsvoll unter Ausblendung des gesamten Kontextes formuliertes politisches Ziel.

Perthes schwingt sich ganz in der politischen Tradition des ehemaligen deutschen Außenministers Fischer zum Schutzpatron der Interessen Teherans auf. So „war klar, dass Teheran nicht einfach den Forderungen des Sicherheitsrates nachkommen würde.“ Während man in Deutschland nicht müde wird auf die Bedeutung der UN zu verweisen, sollen nun Beschlüsse ausgerechnet des Sicherheitsrates kaum Bedeutung haben und vor allem keine unangenehmen Folgen für den Iran nach sich ziehen.

Perthes geht es darum, die atomare Bedrohung durch ein Regime, das nicht nur wegen seiner finanziellen und logistischen Unterstützung sowie wegen seiner Waffenlieferungen für seine Stellvertreter Hamas und Hisbollah zum weltweiten Terrorexporteur Nummer eins geworden ist, in Verhandlungen mit dem Westen aufgehen zu lassen. Der auf Verfolgung und Ermordung Andersdenkender zielende Islamismus Teherans soll weiterhin und immer noch zum legitimen Verhandlungspartner des Westens gemacht werden. Die atomare Bewaffnung soll ein Problem unter vielen sein, dem jetzigen iranischen Regime soll gar die Chance eingeräumt werden, in regionalen und globalen Fragen ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Der Partner Iran soll bei der Drogenbekämpfung in Afghanistan helfend zur Hand gehen, wie das auch deutsche Politiker gerne formulieren, als könne man es nicht besser wissen: die Machthaber im Iran haben kein Interesse an zivilisatorischen und demokratischen Mindeststandards in Afghanistan und im Irak, sondern sind ideologisch motivierte Fanatiker, die in der gesamten Region und im übrigen auch in Südamerika in unmittelbarer Nähe der USA auf Destabilisierung und Chaos setzen.

Zuvörderst geht es ihnen nach wie vor um die Vernichtung des jüdischen Staates, bezeichnenderweise geht Perthes darauf mit keinem Wort ein. Er tritt nach wie vor für den vorurteilslosen Dialog ein. Doch Perthes verrät sein zwiespältiges Verhältnis zu individuell verstandenen Menschenrechten sehr genau, deren dauernde Verletzung durch die Islamisten in Teheran er gar nicht erst thematisiert und damit eskamotiert. Menschenrechte dürfen später erst im Rahmen des immergleichen imaginären Dialogs großzügig von Europäern und Amerikanern angesprochen werden, als seien sie bloß beliebiges westliches Exportgut und beanspruchten nicht unmissverständlich universale Geltung. „Ein freier Austausch von Gedanken, Ideen und die Überwindung gegenseitiger Vorbehalte“ darf „nicht am Westen“ scheitern, unbotmäßige und unhöfliche Forderungen, so möchte man meinen, haben an die Adresse Teherans gerichtet also zu unterbleiben. Der Mann wünscht sich akademischen Austausch und Stipendien, Expertendialoge und kulturelle Initiativen - als finde all das nicht bereits gerade von Deutschland ausgehend beständig statt. Wer denkt nicht an die Städtepartnerschaft Freiburg-Isfahan in Zeiten der in den iranischen Gefängnissen Gefolterten und Ermordeten? Wer denkt nicht an die Berliner Königin-Luise-Stiftung, die gerne mit Pädagogen aus dem Iran ins Gespräch kommt, als kämen da Leute zu Besuch auf Einladung gleichsam am Teheraner Regime vorbei. Man fragt sich, was das Thema solcher Veranstaltungen sein soll: die Vermittlung von „Werten“ gemäß der Scharia auch an unsere Kinder hierzulande?

Die ganz überwiegend in Politik und Politikberatung Deutschlands vorhandene Einschätzung des Iran als Partner, eine wünschenswerte Partnerschaft auf Augenhöhe, die strategisch nur gegen die USA gerichtet sein kann, bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Perzeption des Nahostkonflikts hierzulande. Zwar ist es durchaus beruhigend, dass die Europäer bei den Gesprächen in Washington zwischen Israelis und Palästinensern keine bzw. nur eine marginale Rolle spielten. Sie haben ja außer ihrem ansteigenden antisemitischen Antizionismus wenig in die Waagschale zu werfen. Nichtsdestoweniger hat die dauernde Dämonisierung und Verurteilung Israels als angeblicher Aggressor durchaus (beabsichtigte?) fatale Folgen eben gerade nach innen, für die Einwanderungsgesellschaften der europäischen Länder. So wird gerne kolportiert, dass erst eine Lösung des Nahostkonfliktes aus dem Iran einen verhandlungswilligen Partner im „Atomstreit“ mache, um dann selbstverständlich ausschließlich von den Israelis Zugeständnisse zu fordern, dabei ist es genau umgekehrt. Ein Regimewechsel im Iran hätte wohl zur Folge, dass über ausbleibende Unterstützung für Hisbollah und Hamas die Palästinenser als Voraussetzung für substantielle Fortschritte eher gezwungen werden könnten, sich vom antisemitischen Terror loszusagen, von dem ja auch die angeblich moderate Fatah allen Fortschritten im Alltagsleben in der Westbank zum Trotz nicht lassen will. Die Verlautbarungen der Palästinensischen Autonomiebehörde sprechen da eine eindeutige Sprache.

Die absichtsvolle Verurteilung Israels im Rahmen der fraktionsübergreifenden Resolution des Deutschen Bundestages im Juli wird Antisemiten auch in Deutschland anfeuern, dürfen sie sich doch bestätigt darin fühlen, in Israel die vermeintliche Ursache allen Übels, eben eine „Bedrohung für den Weltfrieden“ sehen zu wollen. Glaubt man Nachrichtenquellen des iranischen Regimes, muss der FDP-Abgeordnete Stinner während seiner Reise zu den Machthabern in Teheran kürzlich mit dieser Resolution regelrecht geworben haben.

Der Bundestag sieht allerdings kein Problem darin, dass Mitglieder des Hohen Hauses auf einem Islamistenschiff gemeinsame Sache mit linken Antiimperialisten, islamistischen Vernichtungsantisemiten und Faschisten der Grauen Wölfe machten.

Die Fraktion von CDU/CSU geht in einem von Philipp Mißfelder formulierten Appell zur Freilassung von Gilad Shalit an die Hamas offenkundig von deren immanenter Friedensabsicht aus - dem Terror der Hamas zum Auftakt der Gespräche in Washington fielen wieder einmal Israelis zum Opfer, darunter eine schwangere Frau. Mißfelder gilt als ein Mann, der den Antisemitismus bekämpft.

Dem deutschen Außenminister übrigens waren die Opfer des Hamas-Mordanschlages keine Zeile der Empathie wert. Der Mann, der erst spät, sehr spät den Antisemitismus seines Parteifreundes Möllemann notgedrungen thematisierte, hatte in seiner Erklärung die Hamas nicht einmal beim Namen genannt.

Außenpolitik wird traditionell in den deutschen Medien wenig diskutiert, es sei denn, man formuliert Besorgnisse wegen eines möglicherweise bevorstehenden Präventivschlags Israels gegen das iranische Regime oder fordert mehr oder weniger verblümt den Rückzug aus Afghanistan.

Als der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, der FDP-Abgeordnete Markus Löning, wegen einer möglichen Teilnahme an der diesjährigen Kundgebung gegen den jährlich wiederkehrenden antisemitischen Al-Qds-Tag in Berlin angefragt wurde, lehnte er mit der bemerkenswerten Begründung ab, er könne seine „Neutralitätspflicht“ nicht verletzten. „Neutral“ gegen den Vernichtungsantisemitimus von Islamisten? „Neutral“ gegen die Verfolgung und Ermordung Oppositioneller im Iran? Der gleiche Löning ließ es sich noch im Mai diesen Jahres nicht nehmen, die Todesstrafe in Taiwan anzuprangern.

Die laxe deutsche Haltung dem Islamismus und namentlich dem iranischen Regime gegenüber, die Toleranz gegen die Hisbollah außen- und innenpolitisch, all dies gleichsam umrahmt von der Resolution des Deutschen Bundestages gegen Israel künden von einem Pakt Deutschlands, einem faulen Frieden mit dem iranischen Regime auf Kosten von Israelis und Amerikanern, von um ihre Freiheit kämpfenden Oppositionellen im Iran und im Exil, der es für die USA notwendig machen sollte, substantielle Bündnisangelegenheiten zu analysieren.

Im Vorfeld der am 26. Juli diesen Jahres verhängten EU-Sanktionen gegen Iran war zu erfahren, dass sich Deutschland schützend vor die sich in iranischem Besitz befindliche Hamburger Bank EIH, die Europäisch-Iranische Handelsbank stellt. Unter anderem berichtete die New York Times von einem Anruf Obamas bei Kanzlerin Merkel, bei dem diese eine Bitte nach Sanktionierung der EIH ablehnte.

Die EIH ist laut Stuart Levey von den US-Finanzbehörden tief in das Atomwaffenprogramm des Iran verstrickt. Es handelt sich bisher nur um Lippenbekenntnisse, wenn die deutsche Regierung behauptet, man wolle einen nuklearen Iran verhindern, während weiter intensiv Handel mit Iran betrieben wird: Der deutsche Handel mit Iran erfuhr trotz Sanktionen einen rasanten Anstieg im ersten Halbjahr 2010. Und die EU hat bis heute noch keine konkreten Bestimmungen zu den beschlossenen Sanktionen erlassen.

Ein erheblicher Anteil der deutschen Maschinenbau-Exporte in den Iran wird gar nicht von den aktuellen EU-Sanktionen beeinträchtigt. Um Iran entscheidend unter Druck zu setzen, wäre ein Aussetzen dieser Exporte nötig.

Sollten die USA und/oder Israel eines nicht fernen Tages gezwungen sein, legitimerweise militärisch gegen die Atomanlagen im Iran und die iranischen Revolutionsgarden vorzugehen, um die Gefahr einer atomaren Bewaffnung des Regimes mindestens zu verzögern, sollte sich die Frage im transatlantischen Kontext stellen, wer dem schwankenden iranischen Regime bis zuletzt die Treue gehalten hat.

Jörg Rensmann ist Mitglied des Mideast Freedom Forum Berlin e.V.

Zuererst erschienen auf Die Achse des Guten (19.9.2010)