Rede von Andreas Benl (MFFB) zum ersten Jahrestag der Ermordung Jina Mahsa Aminis in Berlin

 

Berlin, 16.9.2023

Nach dem Mord der Sittenpolizei der Islamischen Republik an Jina Mahsa Amini vor einem Jahr erreichten uns unglaubliche Bilder des Muts und der Entschlossenheit aus dem Iran, die sich in dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ manifestieren und um die Welt gegangen sind. Für die westliche Iranpolitik war die Bewegung eine unangenehme Erinnerung daran, dass sie ihre Deals mit einem illegitimen, bei der iranischen Bevölkerung verhassten Regime schließt. Für viele Menschen auf der ganzen Welt waren die jungen Protagonistinnen und Protogonisten der Iranrevolution dagegen eine Inspiration: das Licht der Hoffnung auf eine bessere, menschlichere Welt in Zeiten, wo solche Hoffnungen selten sind.

Die erste Säule der Macht des Mullah-Regimes ist die Geschlechterapartheid im Namen der Scharia. Die Frau ist darin nicht einfach Objekt individueller patriarchaler Herrschaft. Ihre durch das Zwangskopftuch verdeutlichte religiöse Bedeutung rückt sie ins Zentrum der Selbstlegitimation des Gottesstaats und macht jede Abweichung von der Kleiderordnung der Tugendwächter zum Staatsverbrechen. Die vermeintlich „unsittlich“ gekleidete Frau wird so zum inneren Feind, dem Komplement der äußeren Feinderklärung gegen Israel und die USA. Über die Sittenpolizei wird die gesamte Gesellschaft kontrolliert.

Die zweite ideologische Säule der Islamischen Republik ist der Antisemitismus:

„Der Weg nach Jerusalem führt durch Kerbala“, lautete die Parole der iranischen Islamisten schon im Krieg gegen den Irak in den 80er Jahren. Israel konnte sich bis dato glücklicherweise gegen die Angriffe aus Teheran verteidigen – aber auf dem „Weg nach Jerusalem“ liegen die von der sogenannten „Achse des Widerstands“ verwüsteten Gesellschaften des Irak, Jemens, Syriens und des Libanon – und natürlich auch die Teile der palästinensischen Gesellschaft, die nicht unter dem Diktat von Teheran finanzierter islamistischer Milizen leben wollen. Dieser Zusammenhang ist in der Region heute – wie vermittelt auch immer – ins Bewusstsein getreten.

Die doppelte Feinderklärung gegen die Frauen und die Juden ist der Inhalt des totalitären Expansionismus des Teheraner Regimes. Gerade in Deutschland müsste man die globale Gefahr eines antisemitischen Regimes kennen. Stattdessen hüllt man sich vielerorts in Schweigen oder warnt gar davor, es könne nach dem Sturz der Islamischen Republik erst richtig schlimm werden. Solche Warnungen vor einem Ende der Islamischen Republik gibt es im gesamten politischen und publizistischen Spektrum der Bundesrepublik – von ganz links bis ganz rechts.

Wir können deshalb die ideologischen Faktoren nicht ignorieren, die die Grundlage für die Ignoranz oder sogar Toleranz gegenüber dem Wesen der Islamischen Republik sind: der Antisemitismus des Regimes in Teheran tritt im Wesentlichen als Israelhass auf. Es handelt sich um einen Antisemitismus, der heute auf viel mehr Verständnis hoffen kann als der Rassistische der Nazis. Der Antizionismus ist der „ehrbare Antisemitismus“, wie der große jüdische Philosoph und Antifaschist Jean Améry bereits vor Jahrzehnten feststellte.

Wenn hier in Berlin auf Konferenzen behauptet wird, das Holocaust-Gedenken werde durch den Staat Israel missbraucht, um die Kolonisierung Palästinas zu stützen, dann kann solch eine Falschaussage auf Zuspruch hoffen. Unvergessen sind auch die absurden Behauptungen in deutschen Medien, bei Ahmadinejads Vernichtungsdrohungen gegen Israel handele es sich in Wirklichkeit um „Übersetzungsfehler“. Wer solche Fake News teilt, signalisiert damit, in puncto Antizionismus keinen substanziellen Dissens mit dem Regime zu haben.

Adnan Tabatabei, ein gut bezahlter Berater des Auswärtigen Amtes, rechtfertigte kürzlich noch einmal den von der Islamischen Republik ins Leben gerufenen antisemitischen Al-Quds-Tag mit den Worten: „Ich wollte ausdrücken, dass nicht zwingend alle Teilnehmer der Demo Antisemiten sein müssen, sondern sich wirklich für die palästinensische Sache einsetzen wollen.“

Vor diesem Hintergrund gilt: Man kann zu Reza Pahlavis generellen politischen Positionen unterschiedlicher Meinung sein, aber sein Besuch als erster prominenter iranischer Regimegegner in Israel war ein Stoß ins ideologische Herz der Islamischen Republik. Seine Agenda: gegen Antisemitismus und Holocaustleugnung des Regimes, für Freundschaft und friedliche Kooperation zwischen einem freien Iran, Israel und der ganzen Region geht weit über Pahlavis Person hinaus. Andere Exiloppositionelle haben ihre eigenen Positionen gegen den Juden- und Israelhass des Regimes formuliert, und tausende von Menschen im Iran haben bereits 2009 ihr Urteil gesprochen, als sie beim Al-Quds-Tag in Teheran und anderswo die islamistischen und antisemitischen Hassparolen des Regimes niederschrien.

Die Stimmen des Common sense politischer Vernunft iranischer Regimegegner finden leider immer noch kein nachhaltiges Echo im Westen. Die Stimmung des Laissez-Faire gegenüber dem Regime setzt sich weiterhin in der deutschen und europäischen Politik fort:

Die Terrorlistung der Revolutionsgarden wurde bis dato unter fadenscheinigen Begründungen abgesagt, obwohl in Nordrhein-Westfalen aktuell ein Prozess gegen eine antisemitische Terrorgruppe mit mutmaßlichem Revolutionsgardenhintergrund läuft.

Die Europäische Union schwieg über 500 Tage zur Inhaftierung von Johan Floderus, eines ihrer Beamten im Iran, um ihre Beziehungen zum Regime nicht zu gefährden. Nächste Woche soll der Präsident des Regimes, der Massenmörder Raisi vor der UNO sprechen – und ein amerikanischer Thinktank hat ihn zum Gespräch geladen. Die Biden-Regierung bereitet in den USA einen Milliardendeal zur Befreiung mehrerer Geiseln vor, aber sie und die EU lassen vom Tod bedrohte Geiseln wie Jamshid Sharmahd und Ahmad Reza Jalali im Stich.

 

Solche Deals besänftigen das Regime jedoch nicht, sie ermutigen vielmehr zu weiterem Terror. Staatliche Behörden und relevante Terrorexperten sind sich einig über einen rasanten Anstieg von Terroraktivitäten der Islamischen Republik in Europa und den USA.

Umso unverständlicher und fataler ist eine westliche Iranpolitik, die ein iranisches Regime stützt, das der wichtigste Bündnispartner Putins ist.

Die Revolutionsgarden und die russische Luftwaffe zerstörten gemeinsam Syrien und trieben Millionen von Menschen in die Flucht nach Europa.

Dieses Bündnis findet nun in der Ukraine seine Fortsetzung: mit der Lieferung von Kampfdrohnen stellt die Islamische Republik dem russischen Regime eine billige und effektive Terrorwaffe zur Verfügung, die furchtbare Auswirkungen auf die ukrainische Zivilbevölkerung hat.

Ein mögliches westliches Kalkül, sich auf Kosten der Menschen im Iran, in der arabischen Welt und in Israel Frieden mit dem Terrorregime in Teheran zu erkaufen, ist also bereits jetzt gescheitert und von den Realitäten widerlegt.

Es ist höchste Zeit für einen Plan B - für ein dringend notwendiges Bündnis der demokratischen Staaten gegen Fundamentalismus und Terror, welches neben Israel und den zum Ausgleich bereiten arabischen Staaten auch und vor allem die iranische demokratische Opposition beinhalten muss. Nur ein freier Iran bietet die Basis für eine Befriedung der Region und liegt im vitalen Sicherheitsinteresse seiner europäischen Nachbarn.

Unsere bereits im letzten Jahr erhobenen Forderungen bleiben weiterhin aktuell:

  1. Die Revolutionsgarden müssen sofort auf die Terrorliste gesetzt werden, diese Forderung ist nach wie vor aktuell duldet keinen Aufschub.
  2. Der Islamischen Republik unterstehende Institutionen wie Botschaft, Konsulate und das „Islamische Zentrum Hamburg“ müssen geschlossen werden.
  3. Der Dialog mit dem Regime muss abgebrochen und durch einen Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern des freien Iran ersetzt werden.

Frau, Leben, Freiheit!

Nieder mit der Islamischen Republik!

Solidarität mit der Freiheitsbewegung im Iran!