Jonathan Weckerle: Hisbollah - Die "Partei Gottes"

Erschienen in KONKRET 11/2012. (PDF)

Die libanesische Hisbollah und ihre Schutz- und Führungsmacht Iran forcieren den Heiligen Krieg gegen Israel; sie träumen von einer baldigen Vernichtung des jüdischen Staates. Doch möglicherweise bringt jede Eskalation sie dem eigenen Ende näher.

Als am 18. Juli in der bulgarischen Stadt Burgas ein Sprengsatz fünf israelische Touristen, einen bulgarischen Busfahrer sowie den Attentäter zerfetzte, wurden Iran und Hisbollah von israelischer Seite sofort der Tat bezichtigt. Die bulgarischen Behörden ließen sich von den Indizien – laut israelischen Angaben gab es vor dem Anschlag intensive Telefonkontakte zwischen Libanon und Bulgarien – bislang nicht überzeugen. Vermutlich scheut das kleine Land die Konfrontation mit dem Iran und arabischen Staaten, solange die Beweislage nicht eindeutig ist – der bulgarische Politikwissenschaftler Vladimir Shopov sprach von einem diplomatischen »Minenfeld«.

Was bei einem kleinen Land wie Bulgarien und im konkreten Fall, bei dem auch eine Al- Qaida-Täterschaft nicht ausgeschlossen ist, verständlich sein mag, wurde im Juli auf EU-Ebene zu einer peinlichen Farce, als für ein Verbot der Hisbollah als Terrororganisation nicht die nötige Einstimmigkeit erreicht werden konnte und Erklärungen dafür gegeben werden mußten. Die »New York Times« zitierte einen anonymen »hochrangigen deutschen Sicherheitsbeamten« mit den Worten, es gebe in der EU noch immer »Skepsis, daß es die Hisbollah als Organisation selbst war, und nicht beispielsweise Iran, der einige Individuen mit Hisbollah-Verbindungen benutzt hat«. Und die Hisbollah selbst ist aus EU-Sicht eine furchtbar komplizierte Organisation, wie die zypriotische Außenministerin Erato Kozakou-Marcoullis – ihr Land hatte die EUPräsidentschaft inne – erklärte: »Die Hisbollah ist eine Organisation, die aus einer politischen Partei und einem Netzwerk für soziale Dienste sowie aus einem bewaffneten Flügel besteht.« Das ist zwar korrekt, kann aber gerade nicht als Grund gegen ein Verbot angeführt werden. Denn schon im 1985 veröffentlichten Manifest der Hisbollah heißt es unmißverständlich: »Unser militärischer Apparat ist nicht von unserem gesamten Sozialgefüge getrennt. Jeder von uns ist ein kämpfender Soldat.«

Naim Qassem, Mitgründer und seit 1991 stellvertretender Generalsekretär der Hisbollah (Hizb’ Allah – »Partei Gottes«), gibt in seinem 2005 erschienenen Buch Hezbollah: The Story from Within eine »unbestreitbar klare« Definition der Hisbollah, die »ein für allemal die Beziehung zwischen dem Politiker und dem Jihad- Kämpfer festlegt«. Danach ist die Hisbollah »eine Jihad-Bewegung (und) hat als primäre Mission den Jihad gegen den israelischen Besatzer« (womit ganz Israel gemeint ist), »politische Anstrengungen« sind eine »entscheidende Unterstützung für solch eine Jihad-Bewegung«. Praktisch sind die »politischen Anstrengungen« seit dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs 1989 und besonders seit dem israelischen Rückzug aus dem Südlibanon 2000 vor allem darauf ausgerichtet, die Interessen des »Widerstands« gegen wachsende libanesische wie internationale Kritik zu schützen, also Forderungen nach Entwaffnung der Hisbollah oder nach Wiederherstellung der staatlichen Souveränität in den schiitischen Gebieten abzuwehren. Wenn möglich wurden diese Ziele höchst pragmatisch im Bündnis mit allen sich anbietenden Parteien verfolgt, doch wenn nötig auch mit Gewalt: Im Mai 2008 wurden die Waffen des »Widerstands« in Beirut eingesetzt, um sich per Vetomacht in die Regierung zu putschen.

Die Hisbollah ist durch ihre nichtterroristischen Aktivitäten nicht gemäßigter, sondern mächtiger und gefährlicher geworden. Und Terror war, von Hisbollah und Iran gemeinsam lange Jahre effektiv, meisterhaft und skrupellos eingesetzt, immer wieder erfolgreich. In den frühen achtziger Jahren vertrieben präzedenzlose Selbstmordattentate mit Hunderten Toten die internationalen Truppen aus dem Libanon. Danach gelang es der Hisbollah, im Krieg mit Israel eine strategisch wichtige Abschreckungsund Vergeltungsfähigkeit aufzubauen: Dem tödlichen israelischen Angriff auf den damaligen Hisbollah-Generalsekretär Abbas al-Mussawi im Februar 1992 folgte einen Monat später ein Anschlag auf die israelische Botschaft in Buenos Aires, bei dem 29 Menschen ums Leben kamen. 1994 bombardierten israelische Hubschrauber ein Hisbollah-Ausbildungslager im Bekaa-Tal und töteten 40 Kämpfer. Sechs Wochen später, am 18. Juli 1994, riß im jüdischen Gemeindezentrum in Buenos Aires eine Bombe 86 Menschen in den Tod. Beständig zunehmende Anschläge haben Israel 2000 schließlich zum Rückzug aus dem besetzten Südlibanon bewegt.

Doch seit einigen Jahren hat sich das Blatt gewendet, und Terror erscheint heute als ineffektives und zunehmend kontraproduktives Mittel. So hat der Anschlag auf den ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri am 14. Februar 2005, wegen dem ein UN-Sondertribunal im Juni 2011 einen Haftbefehl gegen vier hochrangige Hisbollah-Mitglieder erließ, zur Zedernrevolution, zum Rückzug der verbündeten syrischen Truppen aus dem Libanon und zu bis heute gewaltigen politischen Kosten geführt. Der Tod des für vermutlich alle großen Terror- und Militäroperationen der Hisbollah- Geschichte verantwortlichen Imad Mughniyah, der im Februar 2008 in Damaskus durch eine Autobombe umkam, wurde trotz entsprechender Racheschwüre des Generalsekretärs der Hisbollah, Hassan Nasrallah, gegen Israel bis heute nicht seiner herausragenden Bedeutung entsprechend vergolten. Daß sein mutmaßlicher Nachfolger, der iranische Revolutionsgardist Mohammad Rida Zahidi, ihn nicht adäquat ersetzen konnte, zeigte eine seit 2008 und verstärkt seit 2011 andauernde Serie von überraschend amateurhaft gescheiterten Anschlägen weltweit. In Washington flog beispielsweise im Oktober 2011 ein geplantes Bombenattentat auf den saudischen Botschafter auf, als ein laut Gutachtern psychisch gestörter iranstämmiger US-Amerikaner einen mexikanischen Drogengangster anheuern wollte, der sich als Informant der US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA entpuppte. In Bangkok explodierten im Februar 2012 für israelische Diplomaten vorgesehene Sprengsätze bereits in der Wohnung der iranischen Attentäter, einer von ihnen sprengte sich auf der Flucht mit einer zurückprallenden Granate die Beine weg. Selbst die frühen Erfolge sind inzwischen zu einer Last für Hisbollah und ihren iranischen Sponsor geworden: Wegen des Anschlags auf das Beiruter Hauptquartier der amerikanischen Truppen einer UN-Friedensmission am 23. Oktober 1983 mit 241 Toten wurde die Islamische Republik Iran in mehreren Prozessen in den USA zu Entschädigungszahlungen von bislang 8,8 Milliarden Dollar verurteilt, die freilich auch wegen des Widerstands der Obama-Administration noch nicht eingetrieben werden konnten, weitere Verfahren laufen noch.

Es gibt Grund zur Annahme, daß die immer irrationaleren und unvorsichtigeren Terroraktivitäten die Situation ihrer Auftraggeber nur weiter verschlechtern werden. Wäre der Anschlag auf den saudischen Botschafter erfolgreich gewesen, wären also in der amerikanischen Hauptstadt ein einflußreicher Diplomat sowie zahlreiche US-Bürger (als Anschlagsort war ein Restaurant geplant) ermordet worden, hätte die Situation durchaus bis hin zu Bomben auf Teheran und einem Sturz des iranischen Regimes eskalieren können. Der erfolgreiche Anschlag in Burgas auf ein weiches Ziel, einen Touristenbus, hat die iranische Abschreckungsfähigkeit kaum gestärkt und statt dessen die Debatte um das möglicherweise nur vorübergehend gescheiterte Hisbollah-Verbot in der EU ausgelöst. In Deutschland drängen seitdem zahlreiche Lobby-Organisationen verstärkt auf ein solches Verbot, das der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, im August als »längst überfällig« bezeichnete. Ein Verbot forderten im September auch 76 der 100 US-Senatoren in einem Brief an die außenpolitische Vertreterin der EU, Catherine Ashton, und das US-Außenministerium warnte davor, daß die Hisbollah »jederzeit und ohne irgendeine Art Vorwarnung Anschläge in Europa« durchführen könne und an einer »Intensivierung ihres Terrorfeldzugs« arbeite. Das Auswärtige Amt, welches dem Autor dieses Beitrags noch Anfang August jegliche Stellungnahme zur Hisbollah verweigert hat, da es dabei um »Sicherheitsfragen« gehe (über die in Deutschland traditionell hinter verschlossenen Türen diskutiert wird), gab im September gegenüber der »Jerusalem Post« an, daß die Kriterien eines EU-Verbots der Hisbollah derzeit »sehr sorgfältig« geprüft werden.

Schließt man sich der plausiblen Experteneinschätzung an, daß die Hisbollah und iranische Kräfte bei internationalen Terroraktivitäten kooperieren, die Befehle und Genehmigungen aber letztlich aus Teheran kommen, konkret von Qassem Suleimani, dem Kommandanten der für Auslandsoperationen zuständigen Quds- Brigaden der iranischen Revolutionsgarden, der wiederum direkt dem iranischen Revolutionsführer Ali Khamenei unterstellt ist, dann muß es für die Anschlagsserie auch iranische Motive geben. Diese hat der renommierte Terrorismusexperte Daniel Byman in einem Artikel für »foreignpolicy.com« analysiert: »Terror ist zugleich Irans beste und seine einzige Option zum Zurückschlagen. Wenn sich die iranische Führung angegriffen fühlt, will sie der iranischen Bevölkerung demonstrieren, daß sie zurückschlägt. Das Regime reagiert empfindlich auf jegliche Demütigung, und es hegt einen starken Glauben an Rache. … Vielleicht am wichtigsten ist, daß Iran trotz aller Prahlerei ein schwaches Land ist: Seine konventionellen Streitkräfte sind schlecht bewaffnet und ausgebildet. Ökonomisch taumelt es wegen der strenger werdenden Sanktionen, und seine Ideologie hat wenig Anziehungskraft – selbst im Iran.« Byman rechnet mit einer »Terrorwelle« als Folge des wachsenden Drucks auf das iranische Regime.

Indirekt zwingt der wachsende Druck auf Iran auch die Hisbollah zu riskanten Aktivitäten. Die Krise ihres Hauptsponsors hat den Geldfluß Richtung Hisbollah israelischen und französischen Geheimdienstinformationen zufolge stark reduziert. Die Hisbollah ist deshalb zunehmend auf illegale Einnahmequellen angewiesen. Das von ihr kontrollierte libanesische Bekaa-Tal ist ein Zentrum des regionalen Drogenhandels, und besonders auf internationaler Ebene ist die Verstrickung in alle Bereiche organisierter Kriminalität beträchtlich. Matthew Levitt, US-Experte für Terrorfinanzierung, schreibt dazu in seiner im September veröffentlichten Studie Criminal Connections: Hizbullah’s Global Illicit Financing Activities: »Daß die Hisbollah kriminelle Aktivitäten nutzt, um Geld zu machen und sich Waffen und Logistik zu beschaffen, ist zum Teil das Geheimnis hinter dem Erfolg ihrer militärischen und terroristischen Aktivitäten. Aber es ist auch ihre größte Bürde. Durch ihre kriminellen Aktivitäten zieht die Gruppe die Aufmerksamkeit von Kriminalbehörden auf sich, was dem sicheren Ablauf ihrer verdeckten Aktivitäten schlecht bekommt. Tatsächlich sind Behörden in mehreren Fällen weltweit auf verborgene Hisbollah-Netzwerke gestoßen, als deren Mitglieder bei rein kriminellen Aktivitäten festgenommen wurden. Die Konzentration auf Hisbollahs kriminelle Aktivitäten bietet eine Kooperationsgrundlage auch für Länder, die die Hisbollah ganz oder teilweise als Terrororganisation betrachten, und für solche, die das nicht tun.« In den letzten Monaten sind einige libanesische Banken ins Visier des US-Finanzministeriums geraten, im August wurden beispielsweise 150 Millionen Dollar beschlagnahmt, die durch Gebrauchtwagenverkäufe in Westafrika gewaschen und mit Drogenerlösen angereichert zurück zur Hisbollah geflossen sein sollen. Und laut Auswärtigem Amt spielen die kriminellen Aktivitäten der Hisbollah auch bei der Prüfung eines EU-Verbots eine Rolle.

Ein solches Verbot würde die Rechtsgrundlage für die Bekämpfung der Hisbollah schaffen, derzeit kann noch nicht einmal das Zeigen ihrer Fahne bei islamistischen Aufmärschen wie dem jährlichen Quds-Tag untersagt werden. Aber die Hisbollah nur als Terrororganisation zu begreifen wäre tatsächlich falsch, weil verharmlosend: Die Organisation kann und will nicht nur Terror ausüben, sondern Krieg führen. Die Gefahr eines neuen Krieges stellt die Bedrohung durch den Terror in den Schatten, wie ein Blick auf die Kriegsvorbereitungen auf israelischer und libanesischer Seite zeigt. Während der 33 Tage des Libanon-Krieges 2006 ist es der Hisbollah gelungen, Israel mit einem kontinuierlichen und sogar zunehmenden Raketenbeschuß anzugreifen. Ihr gelang es, mit der Intensivierung der israelischen Angriffe Schritt zu halten, ohne das schon damals vorhandene militärische Potential voll auszunutzen. So wurden hauptsächlich Katyusha-Raketen eingesetzt, während beispielsweise die iranischen Fajr- und Zelzal-Raketen mit größerer Reichweite, Zielgenauigkeit und Zerstörungskraft am Boden blieben. Möglich wurden das Dauerfeuer und das Überleben der Hisbollah, welches Nasrallah nach Kriegsende zu einem »göttlichen Sieg« verklärte, durch ein seit dem israelischen Rückzug 2000 heimlich errichtetes Netz aus gut getarnten Bunkern und Raketenabschußanlagen. Diese Anlagen wurden seit 2006 nochmals ausgebaut. Im März 2011 veröffentlichte die israelische Armee eine Karte mit 950 militärischen Anlagen der Hisbollah, die zu großen Teilen in oder nahe bei 200 südlibanesischen Dörfern errichtet wurden. Die internationale Öffentlichkeit sollte durch die Karten auf die Bombardierung vermeintlich ziviler Ziele im Libanon vorbereitet werden. Bereits 2008 hatte der Leiter des israelischen Nordkommandos, General Gadi Eisenkot, die Dahiya-Doktrin, benannt nach den im letzten Krieg weitgehend zerstörten schiitischen Bezirken in Süd-Beirut, erläutert. »Was im Dahiya-Viertel in Beirut 2006 geschah, wird in jedem Dorf geschehen, von dem auf Israel gefeuert wird. … Wir werden jedes solche Dorf mit disproportionaler Gewalt angreifen und dort große Zerstörung anrichten. Von unserem Standpunkt aus handelt es sich nicht um zivile Dörfer, sondern um Militärbasen.« In zahlreichen folgenden israelischen Erklärungen wurde mit massiven Angriffen auf zivile Ziele wie Kraftwerke oder Straßen gedroht, und da die Hisbollah an der libanesischen Regierung beteiligt ist, wurde der libanesische Staat als ganzer zur künftigen feindlichen Kriegspartei erklärt. Israel will mit diesen Drohungen nicht nur die Hisbollah abschrecken, sondern auch die politischen Kräfte im Libanon inklusive der schiitischen Bevölkerung dazu bringen, die Hisbollah vom Beginn eines Krieges abzuhalten und das Kriegsrisiko nicht durch Provokationen und Aufrüstung zu erhöhen.

Allerdings ist der libanesische Einfluß auf die Politik der Hisbollah begrenzt, denn im Zweifelsfall gehört die Loyalität ihres harten Kerns der Islamischen Republik Iran, deren Führer sie bis heute als höchste Autorität anerkennt, und von der die Hisbollah finanziell wie militärisch abhängig ist. Die Partei Gottes präsentiert sich gern als »nationale Befreiungsbewegung « und erhält dafür weltweit Unterstützung von Antiimperialisten aller Couleur, doch ist sie selbst längst zu einer Art Besatzungsmacht im Libanon geworden, welche das Land im Dienste fremder Interessen ständiger Kriegsgefahr aussetzt. Dies wurde vor allem in der Propagandaschlacht um einen israelischen Militärschlag gegen die iranischen Atomanlagen deutlich. Der Militärberater Khameneis, General Safavi, warnte im November 2011 etwa: »Es wird keinen Grund für Iran geben, Langstreckenraketen auf Israel zu feuern, denn alle zionistischen Städte sind in Reichweite der Raketen unseres Verbündeten Hisbollah.« In seiner Rede zum Quds-Tag am 17. August erklärte Nasrallah die Konsequenzen eines israelischen Angriffs: »Iran wird kraftvoll und entschlossen reagieren, und der israelische Angriff wird Iran die Gelegenheit zur Zerstörung Israels geben, von der Iran seit 32 Jahren träumt. Die Hisbollah kann Israel nicht zerstören, aber sie kann das Leben von Millionen Israelis zur Hölle machen.« Im September dann sagte der Hisbollah-Generalsekretär in einem Interview: »Unsere Ziele sind nicht nur militärisch; wir werden mit der gleichen Kraft auf jede israelische Attacke reagieren. Wenn Israel von der Zerstörung Libanons spricht, sage ich zu ihnen, daß wir alles im zionistischen Gebilde zerstören werden. Israel hat viele schwache Punkte in seiner Wirtschaft, Industrie, Elektrizität sowie Atomreaktoren.«

Eine 2011 durch Wikileaks veröffentlichte Einschätzung des Mossad geht von bis zu 36.000 Raketen auf Israel in einem zweimonatigen Krieg aus, 100 Raketen könnten täglich Tel Aviv treffen. Zudem kündigt die Hisbollah offen an, was noch keiner arabischen Armee gelungen ist: die Invasion israelischen Staatsgebiets. »Galiläa – Wo der Widerstand dem Feind als nächstes entgegentritt« ist der Titel einer im September auf der offiziellen Hisbollah-Seite »moqawama.org« veröffentlichten interaktiven Landkarte. Strategische Ziele wie militärische Flughäfen, touristische Attraktionen und eine Ölraffinerie in Haifa können eingeblendet werden, eine Animation zeigt, wie Hisbollah-Truppen mit beständigem Raketenfeuerschutz aus dem Libanon den Norden Israels erobern. Trotz Ausbildung im Iran dürften die geschätzten 5.000 Hisbollah-Kämpfer für eine echte Invasion nicht ausreichen, sehr wohl aber für Kommandooperationen auf israelischem Staatsgebiet. Diese wären zwar praktisch suizidal, doch das macht sie für Jihadisten nur um so attraktiver. Sie könnten je nach Ziel große Schäden anrichten sowie gewaltige psychologische und propagandistische Wirkung entfalten. Vorgesehen für solche Operationen sind vermutlich auch mit der Hisbollah verbundene arabische Israelis, die nicht mal die Grenze überqueren müßten: Im Juni wurde der Schmuggel von 20 Kilogramm C-4-Sprengstoff für Hisbollah- Anschläge in Israel aufgedeckt. Ein israelischer Beamter bezeichnete den Fall als bloße »Spitze des Eisbergs«.